Sie kleben sich auf die Strasse, beschmieren Gebäude und manchmal blockieren sie Einkaufszentren. Klimaaktivistinnen und -aktivisten greifen auf vielfältige Protestaktionen zurück. Oft müssen sie vor Gericht dafür geradestehen. Ein Protest, der 2019 am Black Friday über die Bühne ging, beschäftigte zuletzt das Bundesgericht. 

Klimaaktivistinnen und -aktivisten blockierten im November vor vier Jahren ein Einkaufszentrum in Freiburg. Mit ihrer Aktion wollte die Bewegung Extinction Rebellion auf den umweltschädlichen Konsum aufmerksam machen. «Green statt Black Friday», lautete ihre Forderung. Die Aktivisten ketteten sich an Einkaufswagen fest und blockierten mit Brettern die Eingangshalle des Fribourg Centre. 

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Das Kantonsgericht in Freiburg verurteilte daraufhin sieben Beteiligte zu einer Geldstrafe von 150 Franken, da sie die Anweisungen der Polizei nicht befolgten. In erster Instanz sind sie zudem wegen Nötigung verurteilt worden. Letzteres hob das Kantonsgericht jedoch auf. Die Freiburger Staatsanwaltschaft war damit nicht zufrieden und forderte eine härtere Strafe. Sie zog das Urteil ans Bundesgericht weiter. Dieses entschied nun zugunsten der Aktivisten: Es war keine Nötigung.

Grundrechte sollen nicht eingeschränkt werden

Das Bundesgericht stützt sich in seinem Urteil auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die daran erinnert, gewaltfreie Versammlungen zu tolerieren. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht und sollte nicht willkürlich eingeschränkt werden. Die Aktivisten wegen Nötigung zu verurteilen, wäre dem Bundesgericht zu weit gegangen. 

Nötigung bedeutet, den Willen anderer Personen unrechtmässig zu brechen. Das Bundesgericht entschied, dass bei der Blockade des Einkaufszentrums der Wille der Einkaufslustigen nicht gebrochen wurde, denn der Laden war jederzeit über zwei Nebeneingänge begehbar. Wie das Bundesgericht weiter begründet, stand der Protest in direktem Zusammenhang mit dem Black Friday. So rechtfertigten sie den Zweck als Mittel. 

Anders hatte das Zürcher Bezirksgericht argumentiert, das Ende August den Klimakleber Max Voegtli wegen Nötigung verurteilte. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, blockierten Voegtli und die Aktivisten von Renovate Switzerland eine Strasse in der Zürcher Innenstadt. Die Blockade dauerte 25 Minuten und verunmöglichte die Weiterfahrt von Autos und Bussen. Das Bezirksgericht stufte die Aktion als nicht notwendiges Mittel ein, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Die Aktivisten hätten beispielsweise auf dem Sechseläutenplatz demonstrieren können, statt die Strasse rund um den Platz zu blockieren.

Der Freispruch vom Vorwurf der Nötigung im Freiburger Fall kann allerdings nicht direkt auf Strassenblockaden übertragen werden. Norina Meyer vom Beratungszentrum des Beobachters sagt: «Das Bundesgerichtsurteil ist zwar interessant für die Klimabewegung. Aber das Gericht schaut die Aktionen im Einzelfall an.» Eine Strassenblockade sei ein stärkerer Eingriff in den Willen der Betroffenen als ein teilweise abgesperrtes Einkaufszentrum.

Renovate Switzerland nimmt Strafanzeigen in Kauf

Renovate Switzerland freut sich, dass das neuste Bundesgerichtsurteil zugunsten der Aktivisten ausfiel. «Gerichte sollen Freisprüche aussprechen für Bürgerinnen und Bürger, die sich für das Allgemeinwohl der Gesellschaft einsetzen», so die Sprecherin Selina Lerch.

Die Aktivisten von Renovate halten weiter am zivilen Ungehorsam auf der Strasse und im öffentlichen Raum fest und sind bereit, die rechtlichen Konsequenzen zu tragen: «Für mich ist es verständlich, eine Strafanzeige zu bekommen für eine Autobahnblockade, da wir bewusst das Gesetz brechen», so Lerch.